Briefe an Nele: Gedanken

Von: “Anton Fischer” <xxxx@xxxxx>

Datum: 17. September 2014 14:01:39 MESZ

An: “Nele Wulff” <xxxx@xxxx>

Betreff: Gedanken

 

Liebe Nele,

ich habe heute wieder in ein Buch über Jean Cocteau hineingesehen. Cocteau hat zwei Stücke geschrieben: “La voix humaine” und “La machine à écrire”. Ich habe nur Photographien von den Aufführungen gesehen. Aber als ich in Bonn studierte, sprachen bei einem Fest Kommilitonen miteinander, während im Hintergrund eine Schreibmaschine zu hören war. An einem der nächsten Tage hing die ganze Unterhaltung der Gesprächspartner an der Wand. Sie war während des Gesprächs, ohne daß sie es gewußt hätten, mit Schreibmaschine mitgeschrieben worden. Das zeigt, wie die Stimme, auch zum Beispiel beim Selbstgespräch dem Anderen oder auch dem Dritten, auch durch die moderne Technik, sei es Abhöranlagen, ausgeliefert ist. Wir sind sozusagen Archive unserer eigenen Stimmen, Sprecher und Abhöranlagen gleichzeitig. Vielleicht könnte man auch in “Die Stimme und das Phänomen” von Jacques Derrida hineinsehen. Derrida befaßt sich da mit Husserl. Ich glaube Husserl nennt das Selbstgespräch das “einsame Seelengespräch”, bin aber nicht ganz sicher. Ich habe in einem Seminar einmal “Die Stimme und das Phänomen” gelesen. Vielleicht hat Frankreich sich auch mehr damit befaßt als Deutschland. Die Stimme spielt in französischen, auch klassischen, Chansons, wie z.B. in “Les nuits d’été” von Georges Bizet ja auch eine größere Rolle als in deutschen Liedern.

 

Viele Grüße

Anton Fischer